Die richtigen Vorbilder?

Die Globalbudgets anderer Länder sollen zum Vorbild für die Schweiz werden. Dabei zeigt gerade der Blick ins Ausland, warum Ausgabenbegrenzungen nicht zielführend sind.

Trotz hoher Zufriedenheit der Schweizer Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung stehen die jährlich steigenden Kosten in der Kritik. Man ist sich einig: Das Kostenwachstum muss eingeschränkt werden. Eine vom Eidgenössischen Departement des Inneren beauftragte Expertengruppe schlägt hierzu eine Reihe von Massnahmen vor. Im Fokus steht eine «verbindliche Zielvorgabe hinsichtlich Kostenwachstum mit entsprechenden Sanktionen»; zu Deutsch: ein Globalbudget.
Die Verfasser der Expertise wissen um die Brisanz des Vorschlags. Globalbudgets im Ausland sollen als Vergleich dienen und den Vorschlag legitimieren. Der Vergleich hinkt. Denn obwohl darum bemüht, Länder mit einem ähnlichen System zu finden, sind die Unterschiede gewaltig.

Einigkeit und Recht und – Globalbudget
Deutschland kennt ein Globalbudget; allerdings nicht im Sinne einer festen Ausgabenbegrenzung über alle Versorgungsbereiche hinweg. Stattdessen ist das System nach Ausgabenbereichen strukturiert. Jedem Bereich steht die um den Prozentsatz der «Grundlohnsummensteigerung » erweiterte Geldmenge des Vorjahres zur Verfügung. Die vermeintlich einfache Lösung scheitert an der komplexen Wirklichkeit. Zahlreiche Korrekturmechanismen mussten schon eingeführt werden. Denn: Faktoren wie Demographie, wandelnde Morbidität oder medizinischer Fortschritt waren nicht berücksichtigt worden. Gemäss Jurist Rainer Hess, der seit bald vier Jahrzehnten im deutschen Gesundheitssystem tätig ist, habe sich in Deutschland seit Einführung der Ausgabenbegrenzung eine grauenhafte Kultur entwickelt: «Der Arzt guckt durch die ökonomische Brille – viel schlimmer, als dies je zuvor der Fall war. Patienten müssen teils zu wildfremden Ärzten. Auch Terminverschiebungen ins Folgequartal sind ein gängiger Mechanismus in solchen Systemen.»

Budget global en France: fraternité, égalité – sans libérté
Auch in Frankreich besteht eine Ausgabenobergrenze für die Gesundheitsversorgung. Die sogenannte ONDAM (Objectif national des dépenses de l’assurance-maladie) legt das Parlament fest. Das Gesundheitsministerium verteilt dann die budgetierten Ausgaben auf die einzelnen Bereiche. Jeder Akteur hat ein Ausgabenlimit. Allerdings sind diese Obergrenzen nicht verbindlich; so wurden sie denn regelmässig überschritten. Auch in Frankreich waren daher Korrekturmechanismen nötig. Allerdings nicht ohne einen hohen Preis. Angestellte des Gesundheitssektors müssen in weniger Zeit mehr leisten, darunter leidet die Qualität. Oft bleibt keine Zeit zur Patientenaufklärung oder zum Austausch im Team. In einer Umfrage von 2013 gaben über 60 % der Ärzteschaft an, sich oft oder ständig beeilen zu müssen. Zudem werden Teamstrukturen aufgelöst, um das Personal mobiler einsetzen zu können. Dies führt zu Demotivation, häufigen Absenzen und Burnouts. Seit einigen Jahren ist das Budgetwachstum auf 2% beschränkt, obwohl sogar die Regierung zugibt, dass das Gesundheitswesen ohne Beschränkung um 4.5 % wachsen würde.

Niedrige Kosten in den Niederlanden?
Der dritte Vergleich zeigt noch einmal ein ganz anderes System: Die Niederlande. Die Gesundheitsauslagen sind Teil des staatlichen Budgets und unterliegen Ausgabenzielen. Diese werden von der Regierung festgesetzt. Das Kostenwachstum flacht allerdings erst ab, seit pauschale Kürzungen bei allen Leistungserbringern im Falle der Nichteinhaltung der Ziele drohen. Die Wachstumsreduktion beruht aber lediglich auf einem Rückgang erbrachter Leistungen; die Preise blieben gleich und damit die Margen der Leistungserbringer. Die Leidtragenden sind die Patienten, weil ihnen medizinisch nötige Behandlungen vorenthalten werden. Da medizinische Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung eher zunehmen, kann dieses Vorgehen gar nicht nachhaltig sein.

Die weitaus grösste Einsparung im holländischen Gesundheitswesen gelingt aber über Arzneimittel. Seit 2005 vergüten Versicherer nur noch das günstigste Generikum eines Arzneimittels. Eine solche Einsparung irritiert. Generika können Wirkungsunterschiede aufweisen; das preisgünstigste Produkt ist nicht immer das geeignetste.

Keine Vorbilder
Der Vergleich mit dem Ausland zeigt vor allem eins: Globalbudgets mögen das Kostenwachstum zwar senken, bringen aber erhebliche Probleme mit sich. Angestellte im Gesundheitssektor wie auch Patientinnen und Patienten bezahlen dafür einen hohen Preis. Die Vorbilder Deutschland, Frankreich und Niederlande zeigen nicht, was die Schweiz übernehmen sollte, sondern wovon sie besser die Finger lässt.

Bildlegende

Dieses Gesetz hat bestimmt keine Fans: In Holland vergüten Versicherungen nur das günstigste Generikum eines Arzneimittels – und dies, obwohl Generika Wirkungsunterschiede aufweisen können. (Bild: iStockphoto)

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