Medizinische Vorsorge beliebter machen

Viele Schweizerinnen und Schweizer wünschen sich, im Alter gesund zu bleiben. Angebote der medizinischen Vorsorge nutzen aber nur wenige. Weshalb das so ist – und was man dagegen tun könnte.

Prävention gilt als wichtiges Mittel, um Gesundheitskosten zu senken. Wer gesund lebt oder Beschwerden früh abklären lässt, vermeidet teure Behandlungen. Dennoch werden Vorsorgeangebote nur begrenzt genutzt. Laut der Umfrage «Präventionsradar 2025», die im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung durchgeführt wurde, nehmen lediglich 27 Prozent der Befragten regelmässig Untersuchungstermine wie Blutchecks oder Krebstests wahr. Besonders Jüngere schieben die Vorsorge häufig auf.

Erst zum Arzt, wenn Beschwerden auftreten

Gleichzeitig zeigt die Studie: Das Potenzial wäre gross. Denn acht von zehn Befragten achten auf gesunde Ernährung und genügend Bewegung, um im Alter gesund zu bleiben. Warum werden Vorsorgeangebote – die doch dasselbe Ziel vorfolgen – dennoch wenig genutzt? Am häufigsten lautete die Antwort auf diese Frage: «Fand ich nicht notwendig». Dahinter folgt: «Gehe ungern zum Arzt». Viele Menschen gehen offenbar erst dann zu ihrer Ärztin oder ihrem Arzt, wenn Beschwerden auftreten. Angst vor einer ernsten Diagnose verstärkt wohl diese Hemmschwelle. Ein weiteres Argument gegen Vorsorgeuntersuchungen ist laut der Umfrage der Preis: 45 Prozent der Befragten, die keine solche Untersuchungen machen liessen, empfinden sie als zu teuer. Hier muss die Politik hellhörig werden. Denn es ist unbestritten, dass Prävention die Gesundheitskosten senken kann. Wird die medizinische Vorsorge aus Kostengründen aufgeschoben, kann das langfristig zu höheren Behandlungskosten und somit zu höheren Krankenkassenprämien führen.

Keine Angstkampagnen

Wie lässt sich das ändern? Kommunikationswissenschaftler Andreas Fahr von der Universität Freiburg betont: «Vorsorge wird genutzt, wenn sie bequem, selbstverständlich und fair zugänglich ist.» Konkret heisst das: automatische Einladungen und klare Empfehlungen durch den Hausarzt. Flexible Sprechzeiten oder mobile Angebote senken zusätzliche Barrieren. Wichtig sei auch die Sprache, mit der über präventive Angebote informiert wird: Botschaften müssen kurz, verständlich und handlungsorientiert sein. «Vermeiden sollte man Angstkampagnen, komplizierte Texte oder rein digitale Strategien, die sozial Schwächere ausschliessen», so der Experte.

Prävention ist Privatsache

Während Andreas Fahr wichtige Prinzipien benennt – Bequemlichkeit, Zugänglichkeit, Verständlichkeit – ist auch der Faktor der Eigenverantwortung nicht zu unterschätzen. Denn Prävention gilt in der Schweiz als Privatangelegenheit. Diese Haltung bestätigt sich im Präventionsradar: Über 80 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass Prävention in der Verantwortung jedes Einzelnen liegt. Jedoch wünschen sich viele Unterstützung. Besonders Jüngere und Menschen in der Romandie äusserten sich in diese Richtung. Zustimmung erhalten etwa folgende Vorschläge: Die Krankenkassen erinnern an anstehende Vorsorgeuntersuchungen. Oder sie bieten proaktiv einen Beratungstermin zur Gesundheitsvorsorge an. Und der Staat macht mehr Kampagnen zu Themen der Gesundheitsförderung. 

Rund die Hälfte der Befragten spricht sich zudem für steuerliche Anreize oder eine stärkere Kostenübernahme durch die Grundversicherung aus. Am deutlichsten überzeugt die Bevölkerung also die finanzielle Entlastung.

Medizinische Vorsorge stärken, Gesundheitskosten senken

Damit solche Anreize greifen, müssen aber alle Akteure zusammenspielen. Kantone lancieren Programme und finanzieren diese gemeinsam mit den Krankenkassen. Die Ärzteschaft begleitet die Programme aktiv. Ein Beispiel ist das Programm Donna der Krebsliga Ostschweiz. Es wird im Auftrag der Kantone St. Gallen, Graubünden, Bern, Solothurn, Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden durchgeführt. In diesen Kantonen wird Frauen ab dem 50. Lebensjahr alle zwei Jahre ein provisorisch reservierter Termin für eine Mammografie zugeschickt. Die Frauen können diesen Termin bestätigen, verschieben, absagen oder das Röntgeninstitut wechseln. Die Kosten übernimmt die Grundversicherung, den Patientinnen wird lediglich der Selbstbehalt von 10 Prozent verrechnet. Weil im Rahmen dieses Vorsorgeprogramms der Krebs oftmals frühzeitig entdeckt wird, brauchen die Patientinnen weniger Chemotherapien und Brustentfernungen und ihre Überlebensrate ist höher als jene von Patientinnen ausserhalb des Programms. Das Angebot wird gut genutzt, über 50 Prozent der angeschriebenen Frauen lassen sich untersuchen. Die in europäischen Richtlinien empfohlene Teilnahmerate von 70 Prozent erreicht es indes nicht.

Wer ernsthaft Gesundheitskosten senken will, muss Prävention gezielt stärken. Dazu zählen auch faire Entschädigungen für Ärztinnen und Ärzte. Vorsorgeuntersuchungen als Teil der Prävention sind nicht nur eine Frage der persönlichen Einstellung, sondern auch der Rahmenbedingungen. Erst wenn diese stimmen, lässt sich der Vorsatz «Im Alter gesund bleiben» flächendeckend umsetzen – das wäre zum Vorteil der ganzen Gesellschaft.

Bildlegende

Brustkrebs ist bei Frauen unter 70 Jahren die häufigste Krebserkrankung. Durch regelmässige Vorsorgeprogramme – wie etwa hier im Aufklärungscontainter «Pink Cube» – kann die Erkrankung frühzeitig entdeckt und behandelt werden.

Bild: Keystone

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