Spital neu gedacht

Steigende Kosten und ein zunehmender Fachkräftemangel prägen das Schweizer Gesundheitswesen. Ein vielversprechender Ansatz ist das Modell Hospital at Home. Dabei werden bestimmte Behandlungen ins häusliche Umfeld der Patienten verlagert.

Menschen mit akuten Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Herzschwäche können auf eigenen Wunsch zu Hause weiterbehandelt werden, statt im Spital zu bleiben. Dazu müssen die Erkrankten in stabilem Zustand sein und sich im Alltag selbständig bewegen können – etwa um auf die Toilette zu gehen. Das hat viele Vorteile. Untersuchungen zeigen: Patienten bewegen sich zu Hause in der Regel mehr und erholen sich schneller. Ausserdem können sie sich keine Spitalinfektion einfangen. Viele fühlen sich in ihrer gewohnten Umgebung sicherer und entspannter, geniessen die Privatsphäre, das vertraute Essen sowie den Kontakt zur Familie, und sie schlafen besser.

Während der Behandlung finden tägliche Visiten statt. Technische Hilfsmittel überwachen Werte wie Puls oder Atmung und lösen bei Verschlechterung des Zustands Alarm aus. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen innert 15 Minuten vor Ort sein können – deshalb ist Hospital at Home bis anhin nur für Menschen geeignet, die in Spitalnähe wohnen. Das Spital wiederum kann die so gewonnenen Bettenkapazitäten für schwerere Fälle freihalten oder abbauen. Laut internationalen Berechnungen lassen sich zwischen 10 und 30 Prozent der Kosten einer klassischen stationären Behandlung einsparen.

Aktuelle Pilotprojekte in der Schweiz
Während sich das Konzept in Australien, Norwegen und Japan bereits bewährt hat, befindet es sich in der Schweiz noch in der Pilotphase. Erste Projekte zeigen jedoch vielversprechende Ergebnisse. Seit 2021 bietet das Spital Zollikerberg mit «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause» die Möglichkeit, sich in den eigenen vier Wänden behandeln zu lassen. Erste Auswertungen zeigen, dass die Behandlungsdauer um durchschnittlich eine Nacht verkürzt wird. Zudem mussten nach der Entlassung bedeutend weniger Personen erneut eingeliefert werden als in der Kontrollgruppe.

Ein weiteres bedeutendes Projekt ist «Hospital at Home» der Klinik Hirslanden in Zürich, das in Kooperation mit der Klinik Im Park und dem Startup «Hospital at Home AG» durchgeführt wird. Ergänzend dazu hat die Berner Fachhochschule Anfang 2025 das «Swiss Center for Care@home» ins Leben gerufen. Dieses Kompetenzzentrum fördert die Entwicklung und Implementierung von Care at Home-Modellen und begleitet deren wissenschaftliche Evaluierung, um eine Standardisierung solcher Programme zu ermöglichen. Ziel ist es, eine nachhaltige Verankerung dieser Modelle im Schweizer Gesundheitswesen zu erreichen. Die Swiss Hospital at Home Society, ein Verein, der sich der Förderung und Ermöglichung der patienten-zentrierten akut-medizinischen, spitaläquivalenten Behandlung zu Hause in der Schweiz widmet, hat sogar den Viktor Award für die mutigste Initiative in der Organisationsentwicklung gewonnen.

Herausforderungen und offene Fragen
Trotz der positiven Resultate der Pilotprojekte gibt es Hürden, die eine breite Einführung in der Schweiz erschweren:

  1. Die Kantone subventionieren derzeit die Pilotprojekte. Die Frage, wer grundsätzlich die Kosten für Hospital at Home trägt, ist noch nicht abschliessend geklärt. Der Bundesrat vertritt den Standpunkt: «Wenn Pflege- und Krankheitsleistungen zu Hause erbracht werden, sind sie im heutigen Rechtsrahmen des KVG als ambulante Leistungen zu verstehen.» Simon Wieser, Professor für Gesundheitsökonomie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, forderte in einem Artikel im «Tagesanzeiger» hingegen, es müsse ein ganz neuer Tarif her.
  2. Regulatorische Rahmenbedingungen fehlen: Bisher gibt es keine einheitlichen Richtlinien für Hospital at Home-Programme, insbesondere in Bezug auf Haftung, Datenschutz und Qualitätsstandards.
  3. Für eine flächendeckende Umsetzung sind speziell geschulte Fachkräfte notwendig, die sowohl medizinische als auch technische Kompetenzen besitzen.
  4. Während Hospital at Home in Städten mit guter Spitalanbindung funktioniert, bleibt die Umsetzung in entlegenen Regionen eine Herausforderung.


Fazit
Die bisherigen Pilotprojekte zeigen: Hospital at Home funktioniert auch in der Schweiz und hat das Potenzial, das Gesundheitswesen nachhaltig zu verändern. Doch die Umsetzung steht an einem kritischen Punkt: Die Finanzierungsfrage ist nicht geklärt, der rechtliche Rahmen bleibt diffus. Ohne verbindliche Standards, faire Tarife und klare Verantwortlichkeiten bleibt Hospital at Home auf wenige Vorreiter beschränkt – wie das Spital Zollikerberg, das sein Projekt 2027 in den Regelbetrieb überführen will. Wenn die Vergangenheit eines deutlich gezeigt hat: Bis dahin wird keine Lösung vorliegen. Immerhin wurde 15 Jahre lang über die Reform zur einheitlichen Finanzierung verhandelt.

Bildlegende

Gehören Spitalbetten bald der Vergangenheit an? Pilotprojekte zeigen: Hospital at Home funktioniert auch in der Schweiz, doch die Finanzierungsfrage ist nicht geklärt und der rechtliche Rahmen bleibt diffus.

Bild: Keystone

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