Infektionen in Spitälern reduzieren

Rund 60’000 Patienten pro Jahr infizieren sich in Schweizer Spitälern mit Krankheitserregern. Bund, Kantone und Spitäler wollen die Zahl der Infektionen in den nächsten 10 Jahren markant reduzieren. Dazu haben sie unlängst einen nationalen Fahrplan verabschiedet.

In den vergangenen Jahren wurde im Rahmen der nationalen Strategie NOSO bereits eine Reihe von Massnahmen definiert und umgesetzt, um Spitalinfektionen zu senken. Unter anderem organisiert die Vereinigung Swissnoso Schulungen für das Spitalpersonal, sie stellt Informationsmaterial zur Verfügung und regt an, in sensiblen Bereichen neue Abläufe zu etablieren. Nun haben der Bund und seine Partner zusätzliche operative Ziele festgelegt, um die Zahl der Infektionen weiter zu reduzieren. Was bedeuten die Vorgaben für die Spitäler? Und sind die Ziele realistisch? Politik + Patient hat bei einem Experten für Spitalhygiene nachgefragt. PD Dr. med. Walter Zingg ist Leiter Spitalhygiene der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich. Er präsidiert die Schweizerische Gesellschaft für Spitalhygiene.

Walter Zingg, aktuell erleiden 5,9 Prozent aller Patientinnen und Patienten während eines Spitalaufenthalts eine Infektion. Wie hat sich die Situation in den letzten Jahren entwickelt?
Seit 2017, als der Bund die Strategie NOSO eingeführt hat, überwachen wir die epidemiologische Situation systematisch. Seither haben sich die Infektionsraten kaum verändert; auch während der Corona-Pandemie nicht, obwohl wir aufgrund des hohen Ansteckungsrisikos und der intensiven Arbeitsbelastung des Personals einen Anstieg der Infektionen befürchtet hatten.

Ein nationaler Fahrplan will nun die Infektionen bis ins Jahr 2035 schrittweise auf vier Prozent senken. Ein realistisches Ziel?
Das Ziel ist ambitiös. Doch die Schweiz hat Luft nach oben. Wir liegen mit unseren Zahlen nur im europäischen Mittelfeld. Rund 30 bis 50 Prozent der Infektionen lassen sich vermeiden. Eine Senkung um ein Drittel scheint nicht unrealistisch. Zumal wir viele Übertragungswege kennen. Die meisten Infektionen sind Wundinfektionen, die sich nach einem chirurgischen Eingriff ereignen. Häufig sind auch Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen nach Katheter-Einlagen.

Was ändert sich nun für die Spitäler?
Spitäler müssen nicht nur Mindestanforderungen erfüllen, sondern zusätzlich eigene Ziele festlegen, um Infektionen vorzubeugen. Die Voraussetzungen der Betriebe sind höchst unterschiedlich. In grossen Spitälern ist das Infektionsrisiko ungleich grösser.

Weshalb?
Zentrums- und Universitätsspitäler behandeln komplexere, schwerere Fälle. Die Patienten haben vielfach mehrere Erkrankungen. Die Patientenbetreuung ist anspruchsvoll. Deshalb ist die Sensibilisierung der Mitarbeitenden entscheidend. In der Hektik müssen Abläufe und Prozesse funktionieren. Dafür braucht es betriebsinterne Konzepte und eine entsprechende Teamkultur.

In vielen Spitälern sind Personal und Finanzen knapp. Was geschieht, wenn sie die Vorgaben nicht erreichen?
Das Umfeld ist schwierig, richtig. Umso mehr braucht es klare Vorgaben, an denen sich die Betriebe orientieren können. In den meisten Kantonen sind die Vorgaben verbindlich. Doch Spitäler sind auch selbst daran interessiert, die Patientensicherheit bestmöglich zu gewährleisten. Niedrige Infektionszahlen sind ein Qualitätsmerkmal. Deshalb vergleichen die Betriebe sich mit anderen und handeln, wenn ihre Werte sich merklich von jenen der Konkurrenz unterscheiden.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Spitälern und den anderen beteiligten Akteuren?
Die Zusammenarbeit ist etabliert, der Austausch funktioniert. Allerdings sind die Kantone bei der Umsetzung unterschiedlich weit. Ein stärkeres Engagement der Kantone wäre wünschenswert. Damit liessen sich regionale Doppelspurigkeiten vermeiden und Prozesse harmonisieren.

Fazit: Die Spitäler sind nun also gefordert, sich ein messbares Reduktionsziel für Spitalinfektionen zu setzen und entsprechend Präventionsmassnahmen zu definieren. Sie werden die Bemühungen in Sachen Schulung und Information verstärken müssen. Weitere Massnahmen basieren auf lokalen, nationalen oder internationalen evidenzbasierten Richtlinien. Der Prozess steht allerdings noch ganz am Anfang. Ob die Ziele des neuen Fahrplans tatsächlich erreicht werden können, wird sich zeigen.

Bildlegende

Zehntausende Patienten infizieren sich jedes Jahr in einem Spital mit Krankheitserregern. Nun wollen der Bund und seine Partner gegensteuern.

 

Bild: Keystone

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