Warum die Prämien steigen

Die Berechnung der Krankenkassen-Prämien ist ein komplizierter Prozess, der zu einem grossen Teil auf Schätzungen beruht. Dabei werden auch Faktoren berücksichtigt, welche Ärzte und Patienten nicht beeinflussen können.

Dass die Krankenkassen-Prämien immer weiter ansteigen, daran haben wir uns mittlerweile fast gewöhnt. Es ist jedoch falsch, die Schuld nur bei den überversorgenden Ärzten zu suchen oder bei den verweichlichten Patienten, die wegen Bagatellen den Notfall aufsuchen. Stattdessen lohnt es sich, auch andere Aspekte in Betracht zu ziehen: zum Beispiel die politische Förderung von ambulanten Behandlungen, die Altersstruktur des jeweiligen Kantons und die Unternehmensbilanz der Krankenkassen.

Ambulante Behandlungen lassen Prämien steigen
Nicht nur die Krankenkassen-Prämien, sondern auch die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen unaufhörlich. Wider Erwarten laufen diese Bewegungen aber nicht parallel. Seit 1996, als das neue Krankenversicherungsgesetz eingeführt wurde, erhöhten sich die Gesundheitskosten um 66 Prozent, die Prämien jedoch um ganze 102 Prozent. Wie ist das möglich? Einer der Gründe liegt in der Verteilung der Kosten: Die ambulanten Leistungen werden vollständig von den Krankenkassen respektive von den Prämienzahlern finanziert, die stationären Leistungen hingegen grösstenteils über die Steuern. Die Politiker wollen die Gesundheitskosten tief halten und fordern deshalb, möglichst viele Behandlungen ambulant vorzunehmen. Aber die Zunahme der ambulanten Massnahmen lässt die Prämien in die Höhe schnellen und belastet so

Betriebsergebnis der Versicherer beeinflusst die Prämien
Bruno Cereghetti macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam, der die Höhe der Prämien beeinflusst: Die Unternehmensbilanz der Krankenkassen und das jährliche Unternehmensdefizit werden zur Berechnung der Prämien hinzugezogen. Die Krankenkassenprämien werden jeweils in der zweiten Jahreshälfte aufgrund von Schätzungen kalkuliert. Dazu zieht der Versicherer sowohl die aktuelle Kostenentwicklung als auch das Betriebsergebnis des Vorjahres hinzu. «Die Kennzahlen der Unternehmensbilanz sind keine sehr wichtige Grösse bei der Berechnung der Prämien, aber es wäre falsch, sie zu vernachlässigen. Diese Tendenz besteht aber leider bei den Gesundheitspolitikern», ist Bruno Cereghetti überzeugt. Stattdessen werden die Ärzte beschuldigt, sie würden ihre Patienten überversorgen. Dazu kommt: Diese Zahlen können von Jahr zu Jahr extrem variieren.

Am stärksten belasten vier Positionen die Unternehmensbilanz der Versicherer: Investitionen am Kapitalmarkt, die Risikokompensation, Rückstellungen und die betrieblichen und sonstigen Erträge. Würden diese vier Positionen wegfallen, wäre das Defizit der Krankenkassen 2015 bereits gedeckt. Dieses Defizit betrug gesamtschweizerisch rund 607 Millionen Franken. Der Fehlbetrag ist in die Berechnung der Prämien eingeflossen und bedingt – neben anderen Faktoren – den Prämienanstieg für 2017. «Einige Krankenkassen haben genügend Reserven, um ihr Defizit zu decken. Andere aber sind bereits am Limit und müssen das Defizit mithilfe von Prämienerhöhungen ausgleichen», erklärt Cereghetti. Dessen sollten sich Gesundheitspolitiker vermehrt bewusst werden.

Ein Neukunde bringt keine Reserven mit
Nicht zuletzt treibt auch der häufige Kassenwechsel die Prämien in die Höhe. Zwar machen die daraus entstehenden administrativen Kosten weniger als ein Prozent des Prämienvolumens aus. Sie haben jedoch einen Einfluss auf die finanziellen Reserven der Krankenkassen. Denn: Die Reserven, die der Versicherer dank eines Kunden über die Jahre aufbaut, gehen nicht zum neuen Versicherer über. Dieser muss neue Reserven aufbauen. Wenn also ein Versicherer heute mit tiefen Prämien viele neue Versicherte anwirbt, ist er in den Folgejahren gezwungen, neue Reserven zu bilden und seine Prämien stärker als andere Krankenkassen zu erhöhen. Dadurch wird er für Kunden wieder unattraktiv.
Bruno Cereghetti weist aber darauf hin, dass die Prämien bei allen Versicherern jeweils mehr oder weniger im gleichen Ausmass steigen. Und von Erhöhungen sind bei allen Kassen jeweils dieselben Gruppen betroffen: 2017 sind es die Minderjährigen, 2016 waren es die im Hausarztmodell Versicherten. Diese merkwürdige Übereinstimmung lässt Cereghetti vermuten, dass die Krankenversicherer kein grosses Interesse an einer Konkurrenzsituation haben. Es wäre angebracht, dass das Bundesamt für Gesundheit diese Entwicklung genauer unter die Lupe nimmt.

Bildlegende

2016 traf es die im Hausarztmodell Versicherten, 2017 die Jugendlichen – obwohl die Krankenkassen unterschiedliche Berechnungen anstellen, verteuern sich die Prämien auffallend oft für dieselben Gruppen. (Bild: iStockphoto)

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